Pressemitteilung der Delegation zu Tal Abyad

Delegation kritisiert Angriffe der türkischen Armee auf Tal Abyad

Seit dem 26.10. wurden die Städte Tal Abyad (Girê Sipî) und die YPG
Co-BürgermeisterInnen von Tal Abyad
(Verteidigungseinheiten Rojavas) nahe Jarabulus mehrfach von der türkischen Armee angegriffen. Die YPG war auf dem Weg zwischen Kobane und Afrin mittlerweile bis an den Euphrat kurz vor der Stadt Jarabulus vorgedrungen, dem letzten offenen größeren Grenzübergang zur Türkei, der vom Islamischen Staat  (IS) kontrolliert wird. Premierminister Davutoglu hatte angekündigt, dass die Türkei einem weiteren Vordringen der YPG mit Angriffen auf syrischem Territorium begegnen werde und Tal Abyad nicht „unter der Herrschaft der PYD “ bleiben dürfe. Der türkische Nationale Sicherheitsrat kategorisierte die PYD bereits letzte Woche als verlängerten Arm der PKK und gab damit grünes Licht für direkte Angriffe auf die Selbstverwaltung in Rojava. Die Regierung Erdogan/Davutoglu versuchte kurz vor den Wahlen, eine weitere Eskalation herbeizuführen. 

“Die Angriffe der türkischen Armee auf Tal Abyad und Jarabulus sind völkerrechtswidrig. Tal Abyad wurde gestern von der türkischen Armee erneut beschossen. Während die Selbstverwaltung von Rojava in der Stadt unter widrigsten Umständen ein weitgehend normales Leben aufbaut und u.a. Schulen wiedereröffnet, wollte die AKP unter Davutoglu/Erdogan offenbar kurz vor den Wahlen auf menschenverachtende Weise Stärke demonstrieren und den Konflikt mit den KurdInnen weiter eskalieren. Eine solche Politik ist inakzeptabel“, erklärt Rechtsanwältin Britta Eder, die sich im Auftrag des Bundestagsabgeordneten und Mitglied des Europarats Andrej Hunko gerade auf einer Delegationsreise in Rojava befindet.

„Dass die Türkei die YPG davor warnt, eine vom IS kontrollierte Stadt auf syrischem Territorium anzugreifen, zeigt, dass die türkische Regierung mit der menschenfeindlichen Organisation paktiert. Die Bundesregierung und die EU sind gefragt, endlich Konsequenzen daraus zu ziehen und die sicherheitspolitische und militärische Zusammenarbeit mit der Türkei zu beenden, anstatt R.T. Erdogan durch Besuche und Zugeständnisse zu hofieren“, so Martin Dolzer, der ebenfalls an der Delegationsreise teilnimmt. 

Gefängniszelle 1x3m ohne Licht und Bett
„In Tal Abyad leben mittlerweile AraberInnen, TurkmenInnen, ArmenierInnen, KurdInnen sowie weitere Bevölkerungs- und Religionsgruppen respektvoll zusammen. Vor der Befreiung der Stadt durch die YPG hat der IS dort die Menschen terrorisiert. Eine Armenische Kirche wurde angezündet und eine darin befindliche Bibliothek vernichtet. Auf dem Hof der Kirche haben wir vom IS gebaute Gefängniszellen von 1m mal 3m gesehen, die ohne Licht und Einrichtung aus nacktem Beton bestehen. Hier wurden Augenzeugenberichten zufolge Menschen inhaftiert, gefoltert und später exekutiert. In weiteren Räumen neben dem Kirchengebäude hatte die Terrororganisation ihre Kämpfer ausgebildet. An Tafeln sahen wir Bauanleitungen für Bomben und Hetze gegen `Ungläubige´ sowie Europa. Auf der Hauptstraße befindet sich ein Käfig, in dem der IS Menschen an den Pranger stellte und folterte. Wir haben in Tal Abyad mit der Bürgermeisterin, dem Bürgermeister und dem Stadtrat gesprochen, in dem Menschen sämtlicher dort lebender Bevölkerungsgruppen vertreten sind. Alle GesprächspartnerInnen berichteten vom Aufatmen nach der Befreiung vom IS und einer sich dadurch entwickelnden menschenwürdigen Lebensperspektive. In diesem Zusammenhang ist das Agieren der Türkei besonders unerträglich. Es ist zudem deutlich, dass die Selbstverwaltungsstrukturen in Rojava einen Ausweg aus der Krise im Mittleren Osten eröffnen können. Deshalb sollten diese endlich international anerkannt und unterstützt werden“, so Dolzer weiter.


Pressemitteilung der Delegation zu Kobane
Am. 1. November wurde in Kobane und weltweit an den Beginn der Angriffe des sog. Islamischen Staates und den Widerstand von YPG (Selbstverteidigungskräfte von Rojava) und YPJ erinnert, durch den die Stadt und die Provinz befreit wurden. 

Zentraler Platz in Kobani
Im Rahmen unserer Delegationsreise haben wir Kobane besucht. 75% der Gebäude in der Stadt sind zerstört, viele Menschen traumatisiert. Auch nach der Befreiung vom IS durch die YPG und YPJ haben die Djihadisten mehrere Selbstmordattentate und ein Massaker an der Zivilbevölkerung begangen. Am 25.10.15 drangen Kämpfer des IS ungehindert über die türkische Grenze in Kleidung der YPG in einen Stadtteil von Kobane ein und ermordeten 265 ZivilistInnen in ihren Wohnungen, darunter etliche Kinder und Alte. Mittlerweile ist der IS etwa 100 km weit aus der Stadt Kobane vertrieben und die Situation in der Stadt stabil, obwohl es immer wieder zu Grenzverletzungen und Verletzungen und Erschießungen von ZivilistInnen durch türkisches Militär kommt. Schrittweise beginnt ein Wiederaufbau. In Teilen der Stadt wurden Hausruinen und Schutt entfernt. 1500 Wohnungen werden gebaut, immer mehr Flüchtlinge kehren in die Stadt zurück. Die Bevölkerung organisiert sich demokratisch in Kommunen und Stadtteilräten. Für die Wiederaufnahme der Landwirtschaft in der Provinz sind die vom IS hinterlassenen Minen ein Problem.

„Der Widerstand, den die Bevölkerung von Rojava sowie YPG und YPJ gegen die menschenfeindlichen Banden des Islamischen Staates in Kobane geleistet haben und in Rojava noch immer leisten, ist ein kraftvolles Zeichen für die Auseinandersetzung um ein menschenwürdiges Leben und gegen Unterdrückung und Hass. Ohne diesen Widerstand müssten weitere hunderttausende Menschen oder die gesamte Region unter den Gräueltaten und der Diktatur des IS leiden. Um jede und jeden Menschen der für die Freiheit und den Schutz der Bevölkerung starb trauern wir“, kommentiert Britta Eder, Rechtsanwältin und Mitarbeiterin des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko.


„Die EU und die Regierung der Bundesrepublik müssen sich endlich von geostrategischen
Jahrestag des Angriffs auf Kobane
Motiven in ihrer Politik im Mittleren Osten verabschieden. Dass Angela Merkel vor den Wahlen in der Türkei kritiklos R.T. Erdogan hofierte, hat auch zum positiven Wahlergebnis der AKP beigetragen. In Anbetracht der weiterhin offensichtlichen Zusammenarbeit der Türkei mit dem IS und der Eskalation der Auseinandersetzung mit der kurdischen Bevölkerung und der PKK sowie den Angriffen auf Tal Abyad und Rojava ist das völlig verantwortungslos. Stattdessen muss das Embargo gegen Rojava
75% der Gebäude sind zerstört
aufgehoben werden. In Kobane mangelt es an Allem, insbesondere Medikamenten, Infrastruktur, Baumaterial und lebensnotwendiger Infrastruktur. Um eine demokratische Entwicklung der Region zu bewirken sind Druck auf die Türkei und ein konstruktiver Dialog zum Aufbau von Zusammenarbeit mit den Selbstverwaltungsstrukturen von Rojava und deren Anerkennung notwendig. Denn dort leben die unterschiedlichen Bevölkerungs- und Religionsgruppen respektvoll zusammen,“ so Martin Dolzer, Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft.




Erster Bericht Ende Oktober 2015 
Die Situation in Rojava/Nordsyrien

Im Norden Syriens haben sich die KurdInnen gemeinsam mit sämtlichen dort lebenden Bevölkerungs- und Religionsgruppen in Selbstverwaltungsstrukturen basisdemokratisch organisiert. Die Region heißt Rojava (Westkurdistan). In den drei Kantonen, Cizîre, Kobanî und Afrin leben rund 6 Millionen Menschen, darunter 4 Millionen KurdInnen, eine Million Angehörige weiterer Bevölkerungsgruppen und zwischen 800.000 und einer Million Flüchtlinge aus den anderen Teilen Syriens sowie dem Irak. Die Kantone Cizîre und Kobanî sind mittlerweile miteinander verbunden. Zuvor hatte der Islamische Staat (IS) die Region zwischen Serekaniyê und Kobanî kontrolliert (siehe Karte). Zwischen Kobanî und Afrin finden zur Zeit Gefechte zwischen den Selbstverteidigungskräften Rojavas YPG/YPJ (Volksverteidgungskräfte/ Frauenselbstverteidigungskräfte) und dem IS statt.

Karte von Syrien - Rojava in gelb
Im Norden grenzt Rojava auf einer Länge von 900 Kilometern an die Türkei, im Osten an die Kurdischen Autonomiegebiete (KRG) im Nordirak. Im Süden werden die angrenzenden Gebiete entweder vom IS oder der syrischen Regierung kontrolliert.

Wir erreichen Rojava (den Kanton Cizîre) über die KRG. An der Grenze, die von der KDP (Partei unter der Führung M. Barzanis) kontrolliert wird, mussten wir aufgrund der politischen Haltung der KDP möglichst wenig Öffentlichkeit in die Region zu lassen drei Tage lang um unseren Grenzübertritt kämpfen.  Rojava leidet von Anbeginn des Aufbaus 2011 unter einem Embargo durch die Türkei und die KRG. Durch dieses Embargo wird verhindert, dass Menschen, humanitäre Hilfe, Medikamente,  Lebensmittel und sonstige Güter in die selbstverwalteten Gebiete gelangen. Während das Embargo von der Türkei absolut betrieben wird – mit Ausnahme eines oft freien Grenzübertritts für Kämpfer des IS – öffnet die KDP die Grenze partiell nach Gutdünken. JournalistInnen dürfen zum Beispiel lediglich einmal nach Rojava einreisen. Eine Rechtsgrundlage gibt es dafür nicht. Oftmals wird auch Flüchtlingen, Menschenrechtsdelegationen oder ParlamentarierInnen die Einreise verweigert.

In Rojava angekommen erhalten wir in Gesprächen mit dem Präsidium des Parlaments, dem Außenminister Abdulkadim Omar, sowie JournalistInnen Informationen über die derzeitige Verwaltungsstruktur. In den Gremien der partizipativ gestalteten Demokratie von Kommunen über Volksräte, vom  Parlament bis hin zur Regierung sind sämtliche Bevölkerungs- und Religionsgruppen vertreten.

Basisdemokratische Strukturen organisieren sich in Rojava in Kommunen, die in Stadtteilen
Friedhof der gefallenen KämpferInnen der YPG/YPJ
und Dörfern gebildet werden. Sie entwickeln einen gemeinsamen Umgang für die  Belange des Alltags. Aufgaben, welche der Staat den BürgerInnen in anderen Systemen entzogen hat, werden hier, in an die Kommunen angeschlossenen Komissionen für Bildung, Gleichberechtigung der Frau, Sicherheit, wirtschaftlichen Aufbau, Landwirtschaft, Infrastruktur Religionsfragen und Konfliktlösung und je nach Bedarf weiteren soweit wie möglich gelöst. Ist eine Lösung auf kommunaler Ebene nicht möglich beschäftigen sich die Viertelräte oder Stadträte bis hin zum Kantonsrat und dem Volksrat von Rojava mit der Thematik. Diese Aufgabenbereiche spiegeln sich in den Komitees des Parlaments und den Ministerien wieder. Die Räte befinden sich in ständigem Dialog mit Parlament und Regierung. Auf dieser Grundlage wird die die Politik Rojavas entwickelt. Gleichzeitig stellt das Bündnis aus Rätebewegung, verschiedenen Parteien und der Frauenbewegung Yekitîya-Star einen wichtigen Teil des Parlaments. In einem Gesellschaftsvertrag ist eine Art Grundgesetz festgelegt. Räte, Parlament und Regierung sind multiethnisch und multireligiös aufgebaut und so miteinander verknüpft, dass der Mensch und nicht bürokratische Abläufe im Zentrum der Politik stehen. Hier leben verschiedene ethnische Gruppen wie KurdInnen, AraberInnen, ArmenierInnen, Suryoye, TscherkessInnen, TurkmenInnen und TschetschenInnen sowie Religionsgruppen und Glaubensgemeinschaften wie EzidInnen, assyrische und chaldäische ChristInnen sowie sunnitische und einige wenige schiitische Muslime zusammen. Jede der Bevölkerungs- und Religionsgruppen wird durch Minderheiten schützende Quoten die Beteiligung an der Selbstverwaltung ermöglicht.

Leitungsfunktionen werden jeweils gleichberechtigt von mindestens einem Mann, einer Frau und entsprechenden ethnischen oder religiösen Identitäten besetzt, in sämtlichen Gremien gilt eine 40% Quotierung für Frauen. Dies mag aus eurozentrischer Perspektive ineffizient erscheinen, zeigt jedoch deutlich, dass es hier darum geht durch Einbindung aller einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen und Verständigung im Zentrum des Modells steht.

Der Kanton Cizîre ist im Vergleich zu unserem letzten Besuch vor einem Jahr mittlerweile sehr stabil. Der IS wurde immer weiter nach Süden vertrieben. Dadurch hat sichtbar eine schrittweise Normalisierung des täglichen Lebens begonnen. Ökonomie, Landwirtschaft, Medien und Verwaltung werden kollektiv aufgebaut oder reorganisiert. In vom IS befreiten Orten werden durch die Einbindung der Menschen in die Basisdemokratie unter anderem durch den Aufbau von Friedens- und Konsenskomitees Vorurteile abgebaut und dadurch ein schrittweiser gesellschaftlicher Heilungsprozess zur Überwindung erlittener Trauma eingeleitet.  


Das Präsidium des Parlaments

Ein Problem Rojavas ist die Nichtanerkennung der Selbstverwaltung durch die internationale Staatengemeinschaft. Rojava strebt keine Loslösung von Syrien, sondern gemäß den Ideen zur Demokratischen Autonomie von Abdullah Öcalan, eine Anerkennung in einem föderalen Syrien an. Um an diesen Punkt zu gelangen wäre allerdings auch das Ermöglichen des Aufbaus von ständigen diplomatischen Kontakten und eines intensiven Dialogs notwendig. Dazu könnte, wie in Bezug auf die KRG bereits umgesetzt, Rojava ermöglicht werden Auslandsvertretungen zu etablieren. In Russland wurde vor kurzem eine erste solche Auslandsvertretung eröffnet.


Rolle des Islamischen Staates IS

Der Islamische Staat hat sich in der Anfangsphase als ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) überwiegend innerhalb arabischer Sunniten organisiert. Nach dem Machtwechsel im Irak zugunsten der Schiiten unter Nuri Al Maliki , hat die Unzufriedenheit der Sunniten, die unter Saddam Hussein große Privilegien genossen hatten, der Organisation einen fruchtbaren Nährboden bereitet. Viele Führungskader von IS stammen aus der Revolutionsgarde Husseins, weitere gehören den Nakschebendi an (einem sunnitischer Sufiorden dem auch R.T. Erdogan und Mesud Barzani, Regierungschef der kurdischen Autonomieregion im Nordirak angehören). Später hat sich ISIS auch in Syrien organisiert. Heute ist das Zentrum der Organisation in Rakka. Der IS wurde von unterschiedlichen internationalen (darunter die USA und EU Staaten) und regionalen Kräften (darunter die Türkei, Saudi Arabien und Katar) aufgebaut und/oder geduldet. Jeder der beteiligten Akteure hatte unterschiedliche Motive, zu versuchen, die dschihadistische Gruppe zu unterstützen bzw. zu instrumentalisieren. Die türkische Regierung wollte mit aller Macht verhindern, dass sich die selbstverwalteten Strukturen in Rojava stabilisieren, um die eigene regionale Vormachtstellung zu erhalten und eine etwaige positive Auswirkung auf das Selbstbewusstsein der KurdInnen im eigenen Land zu verhindern.

Mit ihrer instrumentell orientierten Politik waren diese Akteure allerdings wenig erfolgreich. Sie hatten jeweils versucht, ihre eigenen Ziele durchzusetzen und dabei die angestrebte Kontrolle über die Dschihadisten verloren, bzw. die Wirkungsweise und Dynamik der Selbstorganisierung und Selbstfinanzierung von IS unterschätzt. Die Terrororganisation hat sich nicht als lenkbare Marionette erwiesen, sondern versucht, ein Kalifat mit rigider Auslegung der Scharia zunächst im Irak und in Syrien zu errichten. Andere Religions- und Bevölkerungsgruppen werden dabei als zu vernichtende Feinde definiert. IS betreibt eine Politik der ethnischen und religiösen Säuberungen. Die Terrororganisation begeht Massaker und Vergewaltigungen. Sie verkauft entführte Frauen auf Sklavenmärkten und verwehrt im Allgemeinen Frauen systematisch ihre Rechte.

Das Erstarken von Gruppierungen wie dem IS sind eine negative Folge einer Teile und Herrsche Strategie mehrerer Akteure in deren Rahmen offenbar angedacht ist, die Grenzen in der Region, die 1916 im Rahmen der kolonialen Aufteilung des Mittleren Ostens gezogen wurden, neu zu ordnen. Auf diese Weise versuchen die USA, die zentralen Akteure der EU und einige mit ihnen verbündete internationale und regionale Akteure neue Märkte nach eigenem Bedarf zu erschließen – oder besser gesagt zu schaffen – und die  Sicherung von Ressourcen und Handelswegen zu betreiben. Es handelt sich um einen Verteilungskrieg moderner Ausprägung.

Rolle der türkischen Regierung

Am 26.10. gab es Angriffe der türkischen Armee auf Tal Abyad (Girê Sipî). Zudem wurden von der türkischen Seite aus zwei ZivilistInnen in Kobanî schwer verletzt, weitere Luftangriffe auf YPG Einheiten nahe Jarabulus folgten. Der türkische Premierminister Davutoglu hatte zuvor angekündigt, dass Tal Abyad nicht „unter der Herrschaft der PYD“ bleiben dürfe und der türkische Nationale Sicherheitsrat deklarierte die PYD als verlängerten Arm der PKK und gab damit grünes Licht für direkte Angriffe auf die Selbstverwaltung in Rojava. Die Regierung Erdogan/Davotoglu versucht kurz vor den Wahlen eine weitere Eskalation herbeizuführen und mit allen Mitteln, auch durch eine weitere Zusammenarbeit mit dem IS, Rojava und die kurdische Region zu destabilisieren, um einerseits das revolutionäre Projekt von Rojava zu vernichten und sich andererseits selbst als einzig möglicher Retter der türkischen Nation und Träger eines neoosmanischen Projekts darzustellen und damit insbesondere bei den nationalistischen Bevölkerungsteilen in der Türkei punkten. 

„Die türkische Regierung strebt an, dass wir auf derartige Provokationen mit Gewalt reagieren, um es dann derart zu wenden, als wäre der erste Angriff von uns ausgegangen und die Türkei müsse sich verteidigen“, erklärt Redur Xelil, Pressesprecher der YPG. „Darauf gehen wir nicht ein. Die AKP versucht offenbar kurz vor den Wahlen ihre eigene Position zu stärken. Indem sie droht, uns auf syrischem Boden anzugreifen, falls wir die Stadt Jarabulus am Euphrat befreien, zeigt sie erneut und unmissverständlich, dass sie mit dem IS zusammenarbeitet. Denn Jarabulus ist der letzte große Grenzübergang, den der IS kontrolliert.“ Erste Angriffe auf Kämpfer der YPG nahe Jarabulus flog die türkische Armee am 26. Oktober.

Innen- und Außenpolitik sind darauf ausgerichtet, die Macht der AKP zu erhalten und die Machtstellung der Türkei sowie R.T. Erdogans auszubauen. Im Zusammenhang mit der Angst der  türkischen Regierung vor einer Stabilisierung Rojavas sowie des Einflusses der HDP in den kurdischen Provinzen aber auch im Westen des Landes, lässt sich besser verstehen, dass der Friedensprozess mit der PKK aufgekündigt und mehr als 1000 Mitglieder und UnterstützerInnen der HDP inhaftiert wurden. In den letzten Monaten wurden zudem ganze kurdische Städte in den Kriegszustand versetzt und dabei mehr 100 ZivilistInnen von Polizei und Armee getötet. Die türkische Regierung trägt auch Verantwortung für weitere Kriegsverbrechen wie völkerrechtswidrige (weil im Irak stattfindende) Bombardements von vermeintlichen Guerillastellungen und die Schändung von getöteten Guerillas.

Deshalb fordern wir von der Bundesregierung, sofort Druck auf die türkische Regierung zu machen die Angriffe auf Rojava zu beenden, die deutschen Rüstungsexporte in die Türkei zu unterbinden; die militärische, polizeiliche und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit der Türkei unverzüglich einzustellen; die Türkei nicht als sicheren Herkunftsstaat und als sicheren Drittstaat zu erklären und diesbezüglichen Schritten auf EU-Ebene eine klare Absage zu erteilen. Es ist notwendig, dass der  von der Regierung aufgekündigte Friedensprozess wieder aufgenommen wird. Als positives Signal sollte das PKK-Verbot endlich aufgehoben werden.

Einschätzung

„Rojava kann ein Modell für ein an friedlichen und humanistischen Maßstäben orientiertes Zusammenleben aller Menschen im Mittleren Osten sein. Wenn die Regierungen der USA, der EU und der umliegenden Staaten ein Interesse an einer friedlichen und demokratischen Entwicklung haben, sollten sie Rojava als Dialog- und Bündnispartner anerkennen und zusätzlich sofort für die Aufhebung des Embargos wirken. Solange geostrategische und wirtschaftliche Interesse im Mittelpunkt der Politik stehen, ist das allerdings nicht möglich. Deshalb ist ein Umdenken notwendig. Dass die türkische Regierung weiter mit dem IS zusammenarbeitet, Kriegsverbrechen begeht und nun auch noch versucht, Rojava bei Griê Sipî (Tell Abyad) anzugreifen, ist inakzeptabel. Die Bundesregierung muss daraus endlich Konsequenzen ziehen und ihre militärische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit beenden“, erklärt der Hamburger Landtagsabgeordnete Martin Dolzer (DIE LINKE)

„Innerhalb des letzten Jahres hat das Projekt Rojava eine sehr positive Dynamik angenommen und Bewusstseinsbildungsprozesse ausgelöst, die Unumkehrbar sind und vielen Menschen Hoffnung und eine Zukunftsperspektive geben. Eine schrittweise Synthese der Stärken und Errungenschaften der jeweiligen Bevölkerungsgruppen und Traditionslinien zu entwickeln ist dabei ein zentrales Moment,“ so der Abgeordnete weiter.

Der Widerstand, den die YPG/YPJ gegen die menschenfeindlichen Banden des Islamischen Staates leisten, ist ein Widerstand der bis zu uns ausstrahlt und ein kraftvolles Zeichen für die Auseinandersetzung um ein menschenwürdiges Leben und gegen Unterdrückung und Hass setzt. Ohne diesen Widerstand müssten weitere hunderttausende Menschen oder die gesamte Region unter den Gräueltaten und der Diktatur der selbsternannten Djihadisten des Islamischen Staates (IS) leiden. Um jede und jeden Menschen der für die Freiheit und den Schutz der Bevölkerung starb trauern wir. Sie haben auch für uns gekämpft.

„Wir sehen, dass ganz im Gegensatz zu den Entwicklungen im Mittleren Osten in Rojava ein Modell für ein an friedlichen und humanistischen Maßstäben orientiertes Zusammenleben aller Menschen im Mittleren Osten entsteht. Insbesondere, dass die Gleichberechtigung der Frauen als zentrales Moment einer positiven Entwicklung der Gesellschaft gesehen wird und alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft mit Respekt behandelt werden, erfüllt uns in diesen krisen- und kriegsgeschüttelten Zeiten mit Hoffnung“, erklärt Rechtsanwältin Britta Eder, die im Auftrag des Bundestagsabgeordneten und Mitglieds der Parlamentarischen Versammlung des Europrats Andrej Hunko an der Delegation teilnimmt.




Menschenrechtsdelegation reist in die Kurdischen Autonomiegebiete und nach Rojava (Nordsyrien)
Vom 21. Oktober bis voraussichtlich 03. November 2015 wird eine Delegation mit den TeilnehmerInnen Martin Dolzer, Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft/MdHB DIE LINKE, der Rechtsanwältin Britta Eder sowie Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Ulla Jelpke (beide DIE LINKE) in die Kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak, nach Rojava (Nordsyrien) und in die Türkei reisen.
 
Als Fact Finding Mission wird die Delegation in Rojava Gespräche mit Zivilgesellschaftlichen AkteurInnen und politisch Verantwortlichen führen, Flüchtlinge besuchen und die Situation in Bezug auf die Auseinandersetzungen der Demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen und der YPG mit dem Islamischen Staat (IS) evaluieren. Wir werden während und nach der Reise über Erfahrungen und Evaluation berichten“, so der Abgeordnete Martin Dolzer.



Delegation 2014

Pressemitteilung, 13.10.2014
Türkei: 31 Menschen bei Solidaritätsprotesten für Kobane getötet
31 Menschen wurden in der Türkei seit dem 6. Oktober bei den Protesten gegen die Politik der türkischen Regierung bezüglich der Angriffe des Islamischen Staates (IS) auf Kobane getötet. Die meisten von ihnen wurden von türkischen Polizisten, Mitglieder der Hisbullah, Rassisten und Anhängern des IS erschossen. 351 Personen wurden verletzt, 1024 festgenommen. Der Innenminister der Türkei versuchte die Proteste und Auseinandersetzungen heute den Oppositionsparteien CHP und HDP anzulasten und sprach von Protesten und Ausschreitungen einer marginalen Gruppe. Staatspräsident Erdogan kündigte am Sonntag die Verschärfung von Gesetzen an, um Proteste, die er als von „Lumpen“ durchgeführt bezeichnet, besser bekämpfen zu können.

Die türkische Regierung unterstützt offenbar weiter lieber den IS als die kurdische Frage im eigenen Land zu lösen. Anders lassen sich die Äußerungen von Innenminister Ala und Staatspräsident Erdogan nicht erklären. Anstatt den Unmut der Kurden und solidarischer Menschen über die Zusammenarbeit der Regierung mit der menschenfeindlichen Dschihadistenorganisation ernstzunehmen, wird weiter darauf gesetzt KurdInnen zu kriminalisieren und auch im eigenen Land zu töten. Das ist unverantwortlich“, erklärt Bianca Winter, vom BAT-DTFK, DIE LINKE

Die Grenzen der Türkei müssten sofort für den IS geschlossen, jegliche Unterstützung mit Waffen und Infrastruktur unterlassen werden. Stattdessen sollten die Grenzen nach Kobane für humanitäre Hilfe und UnterstützerInnen sowie KämpferInnen der YPG und Peschmerga, samt Waffen, geöffnet werden. Nur so kann der IS zurückgedrängt werden“, betont Martin Dolzer, Soziologe und Menschenrechtler.

Es darf nicht sein, dass weiter Verwundete an der türkisch-syrischen Grenze sterben, weil die Grenzbeamten ihre Einreise verweigern, wie in den letzten Tagen mehrfach geschehen. Auch, dass Sondereinheiten der Polizei in einem Krankenhaus in Suruc Ärzte unter Todesdrohungen mit einer Waffe am Kopf zwingen ihnen Schwerverletzte zu übergeben ist inakzeptabel. Die türkische Regierung spekuliert offenbar weiter darauf die KurdInnen gemeinsam mit dem IS entscheidend schwächen zu können“, kritisiert Ulla Jelpke, Mitglied im Bundestag.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, Druck auf die Türkei auszuüben, damit sie endlich ihre Unterstützung für den IS einstellt. Weiterhin muss das PKK-Verbot in Deutschland aufgehoben werden, als Voraussetzung für Friedensverhandlungen unter Einbeziehung von Herrn Öcalan“, so Stadträtin Marion Padua aus Nürnberg.


Ulla Jelpke, Mitglied im Bundestag (MdB) DIE LINKE
Harald Weinberg, MdB DIE LINKE
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
Martin Dolzer, Soziologe und Menschenrechtler
Ayten Kaplan, DIE LINKE, NRW
Hamide Akbayir, Mitglied im Rat der Stadt Köln, DIE LINKE
Yilmaz Kaba, Mitglied der Föderation der Ezidischen Vereine e.V

Britta Eder, Rechtsanwältin

Bundesarbeitskreis "Demokratie in der Türkei, Frieden in Kurdistan" BAK-DTFK, DIE LINKE


Pressemitteilung, 03.10.2014

Die Selbstverwaltungstrukturen von Rojava und die Verteidigungseinheiten YPG in Kobane müssen international unterstützt werden

Seit mehr als zwei Wochen greift der „Islamische Staat“ (IS) den Kanton Kobane im Norden Syriens/Rojava an. Der IS setzt dabei über 50 Panzer und schwere Waffen ein, die Augenzeugen und Videoaufzeichnungen zufolge teilweise aus der Türkei über die Grenze transportiert wurden. Aufgrund der waffentechnischen Überlegenheit des IS und ständigen Nachschubs an Waffen und Kämpfern durch die Türkei wird die Situation für die Bevölkerung von Kobane immer kritischer. Es wird berichtet, dass die Dschihadisten in den Dörfern rund um die Stadt erneut Kriegsverbrechen begangen und Zivilisten massakriert haben.
Die Luftschläge der USA gegen den IS im Irak hatten die Dschihadisten zum Teilrückzug in ihre Zentren rund um Rakka in Syrien getrieben. Von dort hat der IS Angriffe nun vornehmlich gegen die multiethnischen und multireligiösen Selbstverwaltungsstrukturen im Kanton Kobane/Rojava gerichtet. Die USA und ihre Bündnispartner haben mit ihrer geostrategisch orientierten Politik und ihrer jahrelangen indirekten und direkten Unterstützung des IS mit dazu beigetragen, dass die islamistische Terrororganisation die gesamte Region destabilisiert. Die Luftangriffe der USA und ihrer Koalitionspartner in Rakka und auf vom IS kontrollierten Ölfelder bewirken zudem eher, dass der IS seine Kräfte um Kobane zusammenzieht und dort mit aller Macht angreift.

Wenn schon Militärschläge von internationalen Kräften in Syrien durchgeführt werden, müssen diese darauf ausgerichtet sein durch die Vernichtung der Panzer und schweren Waffen um Kobane die mehr als 400.000 Menschen in der Stadt zu schützen. Zudem muss humanitäre Hilfe für Kobane und Rojava sofort anlaufen. Der IS plant neben der Errichtung eines Kalifats die Vernichtung der KurdInnen in Rojava und des reichen kulturellen Erbes der Region.
Offensichtlich besteht international kein strategisches Interesse, die Menschen in Rojava zu unterstützen. Anders lässt sich nicht erklären, dass die Selbstverwaltung sowie die Volksverteidigungseinheiten (YPG) dort seit zwei Jahren in ihrem Kampf gegen den IS durch ein Embargo isoliert und bei der Suche nach politischen Lösungen ignoriert werden. Die demokratischen Strukturen in Rojava müssen sofort anerkannt und unterstützt werden,“ erklärt Yilmaz Kaba, Mitglied der Föderation der Ezidischen Vereine e.V.
Die Regierungen der USA und der EU müssen sofort ihre hauptsächlich an wirtschaftlichen und strategischen Interessen orientierte Politik in Syrien, Irak und Kurdistan beenden und stattdessen die demokratische Selbstorganisierung der Menschen in der Region anerkennen und zulassen. In Rojava gestalten sämtliche dort lebenden Bevölkerungs- und Religionsgruppen gemeinsam die Gesellschaft. Zudem werden die Frauen gleichberechtigt am Leben beteiligt. Das könnte ein Modell zur Demokratisierung des Mittleren Ostens sein,“ betont Rechtsanwältin Britta Eder.
"Die Bundesregierung ist gefordert alle erdenklichen Schritte zu unternehmen, um Druck auf die Türkei auszuüben, sofort ihre Unterstützung für den IS zu beenden. Ansonsten droht in Kobane ein Blutbad ungeheuren Ausmaßes. Es darf nicht zugelassen werden, dass der IS einen Genozid an den in Kobane lebenden KurdInnen und weiteren Bevölkerungsgruppen begeht", erklärt Dr.med. Gisela Penteker, IPPNW (Intern. Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs)

Wenn die Regierung Erdogan/Davotoglu den Friedensprozess mit den KurdInnen ernst nimmt und helfen will das Kobane nicht in die Hände des IS fällt, sollte sie der YPG einen Korridor vom Kanton Cizire nach Kobane öffnen, damit Volksverteidigungseinheiten, Waffen und Munition in den umkämpften Kanton gelangen können. Die geplante Pufferzone ist dagegen nur Vorwand, um die Selbstverwaltung in Rojava zu zerstören. Panzer und Waffen sollte die Türkei, wenn überhaupt, an die YPG und nicht an die Terrororganisation IS geben und darüber hinaus endlich die Grenzen für die Dschihadisten schließen,“ fordert Martin Dolzer Soziologe und Menschenrechtler.



Pressemitteilung, 26.09.2014

Türkei arbeitet mit IS zusammen um demokratische Strukturen in Rojava/Nordsyrien zu zerstören


Der Kanton Kobane im Norden Syriens wird seit Donnerstag vom „Islamischen Staat“ (IS) von fünf Seiten mit schweren Waffen angegriffen. Der IS setzt dabei 50 Panzer und schwere Waffen ein, die Augenzeugen zufolge teilweise aus der Türkei über die Grenze transportiert wurden.

„Die Türkei will offenbar mit Hilfe des IS die Selbstverwaltungsstrukturen in Rojava, in denen sämtliche Bevölkerungs- und Religionsgruppen die Gesellschaft gemeinsam gestalten, zerstören“, kritisiert Martin Dolzer, Soziologe und Menschenrechtler, der gerade von einer Delegation aus der Region zurückgekehrt ist.

Schon seit langem arbeitet die AKP-Regierung mit dem IS zusammen. Nun fordert sie zynischerweise genau in Rojava eine Pufferzone, die darauf hinauslaufen würde, dass die Türkei militärische Kontrolle über das Gebiet erlangen würde. Kurdische Menschenrechtsorganisationen aus der Türkei berichten, dass etwa 20.000 Flüchtlinge vor dem IS aus Kobane in die Türkei geflohen seien – und nicht wie von Regierungsvertretern behauptet 130.000. Diese Desinformationspolitik sei der Strategie geschuldet, Kobane zu entvölkern.

Die Angriffe der USA gegen den IS im Irak hatten die Dschihadisten zum Teilrückzug in ihr Zentrum nach Syrien getrieben. Von dort haben sie ihre Angriffe nun vornehmlich gegen die kurdischen Gebiete gerichtet.

„Die USA und ihre Bündnispartner haben in ihrer Besessenheit für den Sturz von Baschar al-Assad in Syrien zum Erstarken des IS damit zur Destabilisierung der Region beigetragen. Die Luftangriffe in Rakka und auf die vom IS kontrollierten Ölfelder haben mit dazu geführt, dass der IS seine Kräfte in Kobane zusammengezogen hat und dort mit aller Macht angreift. Es ist zynisch, nicht zuerst die mehr als 400.000 Menschen dort zu schützen. Umfangreiche humanitäre Hilfe muss sofort anlaufen“, kommentiert der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (DIE LINKE).

„Offenbar besteht kein strategisches Interesse, die Menschen in Rojava zu schützen. Anders lässt sich nicht erklären, dass die Volksverteidigungseinheiten (YPG) dort seit zwei Jahren durch ein Embargo isoliert und bei der Suche nach politischen Lösungen ignoriert werden. Die demokratischen Strukturen in Rojava müssen sofort anerkannt und unterstützt werden. Die Bundesregierung ist gefordert alle erdenklichen Schritte zu unternehmen, um Druck auf die Türkei auszuüben, sofort ihre Unterstützung für den IS zu beenden. Ansonsten droht in Kobane ein Blutbad ungeheuren Ausmaßes“, betont Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.

Andrej Hunko, Mitglied des Bundestags und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, DIE LINKE
Ulla Jelpke, Innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
Martin Dolzer, Soziologe und Menschenrechtler
Britta Eder Rechtsanwältin
 


Pressemitteilung, 23.09.2014

Türkische Unterstützung des IS beenden – sofort humanitäre Hilfe leisten 


„Die türkische Regierung muss unverzüglich aufhören, den Islamischen Staat (IS) zu unterstützen“, fordert der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (DIE LINKE). „Wenn die Bundesregierung und die EU jetzt keinen Druck auf die Türkei ausüben, müssen sie sich vorwerfen lassen, eine Mitverantwortung für weitere Massaker des IS zu tragen. Gleichzeitig ist humanitäre Hilfe nötiger denn je.“

 
Hunko, der auch Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ist, weiter: 
„Während die Türkei offenbar die Grenzen für den IS öffnet, erhält sie ein Embargo gegen die multiethnischen Selbstverwaltungsstrukturen in Nordsyrien aufrecht. Humanitäre Hilfe, Medikamente und Lebensmittel erreichen die Region deshalb kaum. Gleichzeitig habe ich Berichte von vor Ort er- halten, dass türkische Sicherheitskräfte gewaltsam gegen kurdische Flüchtlinge vorgehen, um sie am Grenzübertritt zu hindern. Dies ist untragbar.“ 


Seit Tagen greift die Terrororganisation IS den Kanton Kobanê in Nordsyrien (Rojava) an. Dabei kommen schwere Waffen und Panzer zum Einsatz, die sie zuvor unter anderem in Mossul erobert hatte – darunter auch viele aus den USA gelieferte Waffen. Journalisten vor Ort haben darüber hinaus dokumentiert, wie auch über eine Bahnstrecke an der türkisch-syrischen Grenze schwere Waffen und Panzer in das Kriegsgebiet gebracht wurden. Ebenso wurden Beschwerden von Krankenhausmitarbeiter/innen in der Türkei darüber bekannt, dass dort ein Kommandant der IS und unzählige weitere Kämpfer der Terrorgruppe behandelt werden. 


Vergangene Woche hatte Andrej Hunko die Rechtsanwältin Britta Eder und den Soziologen Martin Dolzer gemeinsam mit dem Öffentlichkeitsreferenten der Föderation der Ezidischen Vereine, Yilmaz Kaba, zur Recherche in die Region entsandt. Nach einem Aufenthalt in dem rojavaischen Kanton Cizîrê wollten die Delegierten in die Türkei einreisen, um die dortige Situation zu evaluieren. Martin Dolzer wurde ohne nähere Nennung von Gründen nach einer Ingewahrsamnahme am Grenzüber- gang mitgeteilt, dass er in der Türkei nicht willkommen sei und ein Einreiseverbot gegen ihn bestehe.

„Dass meinem Mitarbeiter vor dem Hintergrund der Situation in Kobanê die Einreise verweigert wurde, scheint politisch motiviert zu sein. Die realen Begebenheiten zu dokumentieren, soll offenbar verhindert werden“, so Andrej Hunko. „Das Einreiseverbot muss sofort aufgehoben werden.“ 

„Die Menschen in Rojava bauen trotz Embargo und Angriffen des IS und weiterer Akteure eine demokratische Gesellschaft auf, in der Ethnien und Religionsgruppen respektvoll zusammenleben. Dieses Modell wird von der IS direkt und durch internationale Ignoranz indirekt angegriffen“, erklärt Rechts- anwältin Britta Eder. 


„Mit aller Macht soll verhindert werden, dass die Demokratie, die die Kurd/innen In Rojava mit weiteren Bevölkerungsgruppen aufbauen, auf weitere Regionen ausstrahlt und zur Stabilisierung der Region beiträgt. Dafür werden neben der Instrumentalisierung von Terrorgruppen, wie dem IS, auch gezielte Desinformation und die Behinderung menschenrechtlicher Recherche genutzt“, kritisiert Martin Dolzer. 

„Seit zwei Jahren begehen islamistische Gruppen Kriegsverbrechen an den Grenzen zu Rojava. Vor kurzem dehnten sie ihr Unwesen auf Şengal im Nordirak aus und versuchten dort die Eziden, Christen und viele Andersgläubige, welche nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen, zu vernichten. Es ist mehr als unerträglich, dass kaum ernsthafte Schritte unternommen werden um den IS zu stoppen – das Schweigen darüber ist selbst ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, so Yilmaz Kaba



Pressemitteilung, 19.09.2014
Delegation vor Ort. IS greift kurdische Selbstverwaltungsgebiete in Nordsyrien/Rojava an. Türkei liefert Waffen an die Terrororganisation per Bahn.


Im Norden Syriens haben sich die Kurden gemeinsam mit sämtlichen dort lebenden Bevölkerungs- und Religionsgruppen in demokratischer Selbstverwaltung organisiert. Auf drei nicht zusammenhängende Kantone, Cizire, Kobane und Afrin verteilt leben rund 6 Millionen Menschen. Entlang der türkisch-syrischen Grenze liegen zwischen den drei Kantonen die von der dschihadistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS) eroberten Gebiete.
Vor wenigen Stunden erreichte uns in Qamislo, der Hautpstadt des Kantons Cizire, die Nachricht, dass der Kanton Kobane westlich von uns  von allen Seiten mit schweren Waffen durch den IS angegriffen wird. Der Angriff wird dabei durch Waffen unterstützt, die von der Türkei per Bahn transportiert werden. Auch in Qamislo schlugen Gestern Nacht vier Raketen in einem Wohngebiet ein. Mehrere Zivilisten wurden verletzt.

Wir fordern die Bundesregierung dringend auf, ihren ganzen Einfluss auf die türkische Regierung auszuüben, dass sie die Grenze zu Syrien schließt und von jeglicher Unterstützung des IS absieht. Zudem muss das Embargo gegen die Selbstverwaltung und Menschen in Nordsyrien/Rojava sofort aufgehoben werden. Auch die Humanitäre Hilfe für die ezidischen Flüchtlinge muss auf Rojava ausgeweitet werden.
„Die Terrororganisation IS, die meine ezidischen Glaubensgeschwister in Sengal (Süd-Kurdistan/Nord-Irak) angegriffen und massakriert hat und das weiterhin versucht, ist nun in einem noch größerem Ausmaß dabei, gegen meine kurdischen Geschwister Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu verüben. Jede Unterstützung des IS muss sofort beendet werden “ sagt Yilmaz Kaba, Mitglied der Föderation der Ezidischen Vereine e.V
„Die Menschen hier versuchen tapfer und mit großem persönlichen Einsatz, beispielhaft für ganz Syrien das friedliche Zusammenleben aller verschiedenen Völker und Religionen zu entwickeln. Die Weltgemeinschaft ignoriert sie und beharrt auf überholten Terrorvorwürfen, anstatt die Menschen gegen den IS-Terror zu unterstützen. Massaker werden wir dann beklagen und die Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lassen.“ Dr. med. Gisela Penteker, IPPNW (Internat. Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges).
 „Nach den Ereignissen von Sengal erleben wir einmal mehr, dass es die Verteidigungseinheiten  der Selbstverwaltung in Rojava (YPG) und der PKK sind, die die Bevölkerung vor Kriegsverbrechen, wie Mord, Vergewaltigung, Versklavung und Vertreibung zu schützen versuchen. Dass vor diesem Hintergrund das PKK-Verbot aufrechterhalten und vermeintliche Kader der PKK in Deutschland festgenommen werden, ist unverantwortlich“ erklärt Rechtsanwältin Britta Eder.
„Die Türkei unterstützt noch immer die Terrororganisation IS, die systematisch Kriegsverbrechen begeht. Eine Regionalmacht die derart agiert muss international unter Druck gesetzt und sanktioniert werden. Die Angriffe des IS auf Kobane sind gegen ein funktionierendes demokratisches Projekt gerichtet. Wer für den Frieden in der Region wirken möchte, sollte die YPG und die PKK als demokratisierende humanistische Akteure anerkennen und unterstützen“, erklärt Martin Dolzer, Soziologe und Menschenrechtler.
„Die Menschen in Rojava/Nordsyrien werden auf breiter Front durch die Terrororganisation IS mit der Unterstützung der Türkei angegriffen, und die Welt schaut schweigend zu. Dies ist ein Skandal, der umgehend beendet werden muss. Diesen Menschen, die den Eziden aus Sengal die Flucht nach Rojava ermöglicht haben, muss sofort und wirksam geholfen werden, bevor ein weiteres Massaker ungeheuren Ausmaßes begangen wird.“ Prof. Dr. Norman Paech, VdJ (Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen), EJDM (Europäische Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte)
Für Rückfragen können Sie über die Tel. Nr. 069/84772084 von Civaka Azad einen direkten Kontakt zur Delegation bekommen.


Menschenrechtsdelegation reist in die Kurdischen Autonomiegebiete und nach Rojava (Nordsyrien)

Vom 14. September bis voraussichtlich 24. September wird eine Delegation mit den TeilnehmerInnen Prof. Dr. Norman Paech, Dr. med. Gisela Pentecker (IPPNW), Rechtsanwältin Britta Eder sowie dem Soziologen Martin Dolzer (beide Wissenschaftliche Projektmitarbeiter von Andrej Hunko, Mitglied des Bundestags und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, DIE LINKE) und Yilmaz Kaba (Vorstandsmitglied der Föderation der Ezidischen Vereine e.V.) in die Kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak und nach Rojava (Nordsyrien) reisen.

Als Fact Finding Mission wird die Delegation die Situation der ethnischen und religiösen Minderheiten im Nordirak und die Situation der vor den Kriegsverbrechen der Gruppe Islamischer Staat (IS) aus dem Nordirak Geflohenen in den Flüchtlingsunterkünften in den kurdischen Autonomiegebieten, in Rojava und der Türkei evaluieren. Zudem werden Gespräche mit AkteurInnen und politisch Verantwortlichen geführt.

Auf diesem Blog werden wir, soweit die technischen Voraussetzungen das erlauben, über die Delegationsreise berichten.